Prof. Dr. Wessam A. Farag    

Gastprofessur:
Juli - September 2011
Juli - September 2009
Juli - September 2008
Juli - September 2007

Prof. Dr. Farag ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Mansoura Universität in Ägypten. Sein Forschungsinteresse gilt im besonderen der byzantinischen Geschichte und Zivilisation, sowie den byzantinisch-muslimischen Beziehungen und dem kulturellen Erbe der muslimischen Gesellschaft für das mittelalterliche Europa.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt auf der Beschäftigung mit christlich-muslimischen Beziehungen: dem interkulturellen und interreligiösen Dialog.
 
Professor Farag wurde 1946 in Alexandrien/Ägypten geboren und studierte in Alexandrien und Birmingham. Im Rahmen eines "Post-Doctoral Training" war er 1979-1980 Gastdozent im "Centre for the Study of Islam and Christian - Muslim Relations" an den Selly Oak Colleges in Birmingham. 1983/84 war er Stipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung an der Universität Berlin und 1989 ein zweites Mal an der Universität München.
2004 war Professor Farag bereits einmal als Gastprofessor im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes an der "University of St. Cyril and St. Methodius" in Veliko Turnovo/Bulgarien.
 
Professor Farag lehrte an der Universität Alexandrien, an der Mansoura Universität und an der Universität Kuwait, bevor er 1992 ordentlicher Professor für Geschichte an der Mansoura Universität wurde. Von 1994-1997 war er dort Dekan der "Faculty of Arts". Von 1998-2001 war er Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität der Vereinigten Arabischen Emirate.
   
Im Sommer 2007 war Prof. Dr. Farag erstmals zu Gast im ZERG. Am 09.07.2007 las er im Rahmen der Ringvorlesung "Religion und Rationalität" zum Thema "Pope Benedictus XVI and the Byzantine Quotation: An attempt at crossing the divide", ein Beitrag, der unter dem Titel "Papst Benedikt XVI. und das Byzanthinische Zitat" im vierten Band der ZERG Publikationsreihe "Studien des Bonner Zentrums für Religion und Gesellschaft" publiziert wurde.

Am 17.08.2007 hielt er auf Einladung des KAAD einen Vortrag  zum Thema "Pope Benedictus XVI and Islam: A Lapse in Judgement and an Overreaction". Der Vortrag war Teil eines interdisziplinären und internationalen Kolloquiums an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt: "Ruhe nach dem Sturm? Zur Rezeption der Regensburger Vorlesung Papst Benedikts XVI bei Christen und Muslimen" (16.-19.08.2007).
Im Sommer 2008, 2009 und 2011 war Prof. Dr. Farag als Humboldt-Stipendiat erneut zu Gast im ZERG. Er widmete sich in dieser Zeit ganz seiner Forschung.
Im Sommer 2013 hielt er sich erneut als Humboldt-Stipendiat am ZERG auf.


Interview der Katholischen Nachrichtenagentur mit Prof. Dr. Wessam A. Farag (2013)

"Versöhnung ist der Schlüssel" - Ägyptischer Historiker Farag zur Lage in seinem Land - Von Joachim Heinz (KNA) 

Anfang Juli kam Wessam Abdel Farag als Stipendiat der Alexander-von-Humboldt-Stiftung für einen Forschungsaufenthalt ans Zentrum für Religion und Gesellschaft (ZERG) der Universität Bonn. In Kürze wird der Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität von Al-Mansura wieder in sein Heimatland zurückkehren - wo in der Zwischenzeit Präsident Mohammed Mursi gestürzt wurde. Immer neue Unruhen erschüttern seither das Land am Nil. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) nimmt der 67-jährige Muslim Stellung zu den Hintergründen des Konflikts.

KNA: Herr Farag, mit welchem Gefühl reisen Sie jetzt nach Ägypten zurück?
Farag: Mit einem Gefühl der Hoffnung. Der Hoffnung, dass wir den Traum von einem Ägypten in Freiheit und Demokratie wieder zurück auf die Spur bringen können.

KNA: Danach sieht es derzeit eher nicht aus. Warum kommt das Land nicht zur Ruhe?
Farag: Das liegt vor allem an den Muslimbrüdern. Sie wollen den Kreislauf der Gewalt in Gang halten, um nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi die internationale Staatengemeinschaft zum Eingreifen zu bewegen und auf diesem Umweg wieder an die Macht zu kommen.

KNA: Aber trägt nicht auch das Militär zur Eskalation bei?
Farag: Sicher lief da einiges aus dem Ruder. Aber wie erklären Sie sich, dass Demonstranten der Muslimbruderschaft Kalaschnikow-Gewehre mit sich führen, dass Sicherheitskräfte getötet werden, dass Heckenschützen auf Hausdächern sitzen? Die Armee tut das, wofür sie seit den Anfangstagen des modernen ägyptischen Nationalstaates im 19. Jahrhundert da ist: Sie steht im Dienste des Volkes, nicht der Regierung - und verschafft insofern dem Willen der Mehrheit Geltung.

KNA: Auch wenn dabei ein demokratisch gewählter Präsident gestürzt wird?
Farag: Das ist nur die eine Seite der Medaille. Ja, der Präsident war demokratisch gewählt. Aber was sollen die Leute machen, wenn sie nach einem Jahr merken, dass er lügt, dass er seine Macht missbraucht? In demokratischen Staaten würde ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. Denken Sie bloß an US-Präsident Richard Nixon, der mit seinem Rücktritt 1974 einem solchen Verfahren zuvorkam. Aber in unserem Land war das Parlament, also die Institution, die einen solchen Schritt im Auftrag des Volkes hätte durchführen können, bereits Monate vorher aufgelöst worden. Es blieb nur das Militär. Was aussah wie ein Staatsstreich, war in Wirklichkeit der Versuch, die Demokratie zu stärken.

KNA: Was, wenn dieser Versuch nichts fruchtet?
Farag: Wir haben einen Fahrplan. Wir werden Parlamentswahlen haben - aber wenn unser Plan in den kommenden 12 bis 18 Monaten nicht umgesetzt wird, werden die Leute wieder auf die Straße gehen. Denn wenn wir eins gelernt haben, dann dies: Wir haben keine Angst. Und wir machen keine Kompromisse mehr in Sachen Würde und Freiheit.

KNA: Ob das die Islamisten auch so sehen?
Farag: Wenn wir von den Islamisten in Ägypten sprechen, reden wir hauptsächlich von zwei Gruppierungen: den Muslimbrüdern, die auch hinter Präsident Mursi standen, und den Salafisten. Für die Muslimbrüder bedeutet Islam sowohl Religion als auch Macht. Ihr großer Traum ist die Errichtung eines Kalifats von Algerien bis Syrien. Nach Auffassung der Salafisten steht der Islam für die Religion an sich und einen vorgeschriebenen, strengen Lebenswandel. Die Muslimbrüder wollen die Gesellschaft von oben, die Salafisten von unten verändern. Deswegen arbeiten beide Strömungen immer wieder zusammen und verfügen über einen beträchtlichen Einfluss.

KNA: Gäbe es Möglichkeiten, über eine dieser beiden Gruppen die Entwicklung in Ägypten positiv zu beeinflussen?
Farag: US-Präsident Barack Obama hat genau das versucht, indem er die Muslimbrüder in Ägypten, aber auch in anderen Staaten auf seine Seite ziehen wollte. Immerhin ist die Bewegung inzwischen in 72 Ländern vertreten. Aber dieses Konzept droht nun zu scheitern. Davon abgesehen muss man wissen: Die Muslimbruderschaft ist die Mutter aller radikalen islamischen Bewegungen im Nahen und Mittleren Osten bis hin zu Al-Kaida. Deren Flagge war auch bei den jüngsten Demonstrationen der Muslimbrüder in Ägypten zu sehen.

KNA: Zuletzt haben sich aber viele Muslimbrüder zu demokratischen Werten wie Religionsfreiheit und freien Wahlen bekannt. Woran machen Sie die Parallelen zu Bewegungen wie-Al Kaida fest?
Farag: Manche Slogans der Muslimbrüder unterscheiden sich nach wie vor nur geringfügig von denen der Radikalen. Ihr Credo besteht aus Schlüsselsätzen wie "Allah ist unser Ziel", "der Prophet ist unser Führer", "der Koran ist unsere Verfassung", "der Dschihad ist Grundlage unserer Lebensführung", "dem Tod zum Heil Allahs gilt unser höchstes Streben". Das finden Sie auch bei anderen islamistischen Strömungen.

KNA: Keine guten Aussichten für die Christen in Ägypten.
Farag: Die Christen wurden schon in den vergangenen vier Jahrzehnten immer weiter an den Rand gedrängt und mussten Diskriminierungen hinnehmen, was etwa die Aufnahme in den Staatsdienst anbelangte oder den Bau und Unterhalt von Gebetsstätten. Zugleich waren sie Partner der jungen Revolutionäre; sie gingen mit ihnen auf die Straße am 25. Januar 2011. Kreuz und Halbmond waren beide sichtbar auf dem Tahrir-Platz. Aber seitdem Mohammed Mursi und die Muslimbrüder an die Macht kamen, hat sich ihr Status noch einmal dramatisch verschlechtert. Viele Christen haben aus Angst vor Anschlägen ihre Heimat verlassen.

KNA: Sind die Unruhen also auch Ausdruck eines religiösen Konflikts?
Farag: Religion spielt zweifellos eine wichtige Rolle. Aber historisch gesehen lief das immer nach folgendem Muster ab: Wenn Ägypten wirtschaftlich am Boden lag, dann griff der Mob auf den Straßen den "Anderen" an. Das konnten ganz unterschiedliche Gruppen sein. Im Mittelalter waren das meist jene Menschen, die nicht den gleichen Glauben hatten. Später attackierte man Vertreter der Regierung. Aktuell richten sich vor allem die Salafisten gegen die Kopten in Ägypten, weil sie deren Glauben und Bräuche für unvereinbar mit der Mehrheitsgesellschaft halten.

KNA: Sie sind Experte für das Mittelalter und den christlich-muslimischen Dialog. Gibt es irgendeine Lehre, die sich aus der Vergangenheit für die Bewältigung der heutigen Situation ziehen lässt?
Farag: Vielleicht, dass schon zu früheren Zeiten Ignoranz und Intoleranz zu Gewalt geführt haben. Dagegen müssen gerade wir Intellektuellen vorgehen, indem wir etwa Grundlagen für eine Reform des Bildungswesens erarbeiten. Ägypten gehörte zu den ersten Ländern der Welt, die eine Schriftkultur hervorbrachten. Es stimmt mich traurig, wenn ein solches Land hinnimmt, dass heutzutage 37 Prozent der Bevölkerung Analphabeten sind. Nur wer lesen und schreiben kann, kann sich ein Bild machen: von sich selbst und den anderen.

KNA: Wird das ausreichen, um die Brüche der jüngsten Zeit zu kitten?
Farag: Der Schlüssel zu allem heißt Versöhnung - so wie Nelson Mandela das in Südafrika vorgemacht hat. Eine der wichtigsten Botschaften des Christentums ist die Fähigkeit zur Vergebung. Können wir Ägypter denen vergeben, die uns verletzt und unser Vertrauen missbraucht haben? Und lernen wir, uns - auch im Bereich der Religion - gegenseitig so zu akzeptieren, wie wir sind? Das ist die eigentliche Frage.

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